Steuerung der Berufsbildung in Usbekistan

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Viele Länder sind gegenwärtig daran, ihr Berufsbildungssystem zu reformieren. Dazu gehört auch Usbekistan, das gegenwärtig durch dieDEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) unterstützt wird. Unsere Professur begleitet den Reformprozess mit gezielten Forschungsprojekten, die zusammen mit Akteur/innen vor Ort durchgeführt werden. Im folgenden Beitrag zeigen wir auf, wie die Governance der Berufsbildung in diesem Land organisiert ist, wie sie im Vergleich zur Schweiz steht und welche Herausforderungen sich daraus für Usbekistan ergeben.

Von Katie Caves, Ursula Renold und Amela Zubovic

Wenn wir von Governance eines Berufsbil- dungssystems sprechen, so geht es darum, wie das Land wesentliche Schlüsseldimensionen steuert und wie diese Steuerung von Akteuren wahrgenommen wird. Dank sehr guter Kooperation mit Partnern vor Ort konnten wir eine Umfrage bei 646Akteuren aus dem Bildungs- und Beschäftigungssystem durchführen. Der Fragebogen basiert auf einer ersten Studie, welche wir in der Schweiz durchgeführt haben (Renold, Caves, & Oswald-Egg, 2019). Da das usbekische Berufsbildungssystem noch nicht über sämtliche Funktionen eines gut ausgebauten Berufsbildungssystems verfügt, wurde der Fragebogen auf folgende Schlüsseldimensionen begrenzt: 1.National einheitlicher Ansatz für die berufliche Bildung; 2.Erneuerung des Systems; 3.Kommunikation mit anderen Systemen; 4.Finanzierung und  Anreize für Akteure; 5.Ausbildungsplätze entsprechend der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt; 6.Qualitätssicherung; 7.Berufsberatung für angehende Lernende; 8.Durchlässigkeit des Systems.

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Anmerkungen: Die Art der Governance in Usbekistan ist mit dem roten Dreieck dargestellt (N=571–593 je nach Dimension). Die Schweiz ist mit einer blauen Raute eingezeichnet (N=138–259 je nach Dimension). Die beiden Länder sind nicht vollständig vergleichbar, da wir in Usbekistan ein begrenztes Fragenset verwendet haben.

Governance-Typen in Usbekistan und der Schweiz

In einem ersten Schritt wollten wir den Governance-Typ identifizieren. Zum einen geht es dabei um die Integration des Systems. Wir ermitteln beispielsweise, wie integriert oder fragmentiert die Steuerung des Systems gemessen an der Anzahl involvierter Ministerien ist. Zum anderen messen wir, ob das Land eher über eine input- bzw. output-orientierte Steuerung verfügt, d.h., ob auf nationaler Ebene eher Standards zur Steuerung verwendet werden oder ob detaillierte Wege zur Umsetzung der Aktivitäten geregelt werden. Abbildung1 zeigt, dass das usbekische System nach Angaben der Akteure fragmentiert und input-orientiert ist. Die Schweiz hingegen weist seit dem Berufsbildungsgesetz von 2002 eine integrierte und output-orientierte Steuerung auf.

Kooperationsintensität und Zufriedenheit

Zu einer guten Governance gehört das Zusammenspiel der Akteure untereinander. Sie kann als Netzwerk mit Beziehungen zwischen Akteursgruppen beschrieben werden. Durch die Erhebung konnten wir feststellen, dass die Akteure in Usbekistan generell unzufrieden sind mit der Art der Zusammenarbeit (durchschnittliche Zufriedenheit von 2,28 von 5 Punkten). Dies steht in grossem Kontrast zur Schweiz, deren Werte auf der Skala von 1 bis 5 alle über dem Durschnitt von 2,5 liegen.

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Anmerkungen: Die Liniendicke stellt die Beziehungslast dar (d.h. das Produkt aus der Nachbarschaft der Beziehungen und der gemeldeten Intensität), und die Farbe ist die Zufriedenheit entsprechend der Skala in der unteren rechten Ecke. Die Beziehungen fliessen im Diagramm auf der linken Seite nach oben und auf der rechten Seite nach unten. Die vertikale Anordnung ist keine genaue Darstellung der Hierarchie. Die Beziehungen innerhalb einer Gruppe werden als horizontale Balken unter dem Namen der jeweiligen Akteursgruppe dargestellt. Usbekistan: N=630 einzelne Befragte, 739 Beziehungen (Einzelpersonen geben mehrere Beziehungen an). Schweiz: N=2086 einzelne Befragte, 4985 Beziehungen.

Abbildung 2 zeigt auf, dass auf der nationalen Ebene zwar ein reger Austausch unter den verschiedenen Ministerien herrscht, diese Akteure allerdings eher unzufrieden sind. In der Schweiz –die über eine integrierte Governance verfügt – besteht dieses Problem nicht, da ein einziges Bundesamt für sämtliche Belange der Berufsbildung zuständig ist. Die schweizerische Zusammenarbeit auf nationaler Ebene ist gut und bezieht sich auf andere Bundesämter wie beispielsweise das SECO, das nicht direkt mit der Steuerung der Berufsbildung zu tun hat. Weiter stellen wir fest, dass es im usbekischen Governance-Netzwerk keine Vermittler gibt, die eine repräsentative oder leitende Funktion haben. Zwar arbeiten einige Akteure mit den Arbeitgebern zusammen, die Arbeitgeber selbst sind jedoch eher unzufrieden. Der horizontale Balken der Arbeitgeber, welche untereinander kooperieren, deutet auf eine grosse Unzufriedenheit hin.

Herausforderungen

Nachdem wir die Berufsbildungs-Governance in zahlreichen Ländern untersucht haben, sind einige der Herausforderungen, die wir hier beobachten, typisch für Kontexte wie den usbekischen. Andere wiederum sind eher überraschend. Die Akteure im usbekischen Berufsbildungssektor sind sich bewusst, dass die Governance des Systems nicht so ist, wie sie sein sollte. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den Reformwillen. Ein länderübergreifendes Muster ist die höhere Zufriedenheit der Akteure auf höherer Ebene, wie dies auch in der Schweiz sichtbar ist.

Aus den zahlreichen Empfehlungen nennen wir hier nur zwei, die für den Aufbau eines dualen Bildungssystems in Usbekistan zentral sind. Vorrangig sollte ein kooperatives Governance-Netzwerk aufgebaut werden, in dem Arbeitgeberverbände (oder Branchenverbände, Handelskammern usw.) echte Arbeitgebervertreter sind und den Arbeitgebern die Führung in der Berufsbildung erleichtern. Dazu müssen die Rollen und die Befugnisse der Arbeitgeber und ihrer Verbände bei der Gestaltung, Durchführung und Evaluation von Programmen klar geregelt werden.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der Typ der Governance. Wir empfehlen eine stärkere Integration der Governance. Das bedeutet, dass die Zahl der für Berufsbildung zuständigen Ministerien verringert wird. Nur so kann unter den verschiedenen Berufsfeldern Kohärenz erzielt werden. Ferner empfehlen wir eine Verlagerung von einer input-orientierten zu einer output-orientierten Steuerung hin. Konkret bedeutet dies, dass die Standards reguliert und die Qualität durch die Bewertung der Einhaltung der Standards sichergestellt wird, anstatt Lernprozesse detailliert zu regulieren und die Qualität durch die Verwaltung dieser Prozesse sicherzustellen. Dies erfordert einen Übergang von wissens- oder fachbasierten Lehrplänen zu kompetenzbasierten Lehrplänen.

Unsere Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Usbekistan ist mannigfaltig und erfreulich. Wir sind überzeugt, dass das Land in den nächsten Jahren dank evidenzbasierter Vorgehensweise massgebende Fortschritte erzielen kann.

Referenzen

  • Renold U., Caves M. & Oswald-Egg M. (2019). Governance im Berufs- bildungssystem Schweiz: Systemische Steuerung des schweizerischen Berufs- bildungssystems. KOF Studies No. 127
  • Caves K., Renold U., Zubovic A. (2022). Governance of TVET in Uzbekistan. CES Studies No. 31