Förderung der höheren Berufsbildung
Der Ständerat hat die Revision des Berufsbildungsgesetzes einstimmig mit 45:0 Stimmen angenommen. Damit stärkt er die Position der höheren Berufsbildung und unterstützt Massnahmen, die deren nationale Sichtbarkeit und internationale Anerkennung verbessern sollen.
Von Urs Gassmann
Der Ständerat hat am 8. September 2025 den Änderungen des Berufsbildungsgesetzes mit 45 zu 0 Stimmen zugestimmt. Damit unterstützt er auch die Einführung der ergänzenden englischen Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» für Abschlüsse der höheren Berufsbildung.
Seit dem Jahr 2012 wurde über solche Titel diskutiert und abgestimmt. Noch nie zuvor wurde eine entsprechende Vorlage so deutlich von einem Rat angenommen. Ein Vergleich mit den früheren Abstimmungen sowie eine Betrachtung der vorgebrachten Argumente zeigt, dass sich die Ausgangslage verändert hat.
Der aktuelle Vorschlag wurde von Vertretungen der Wirtschaft, der Arbeitnehmerorganisationen, der Fachverbände, der Bildungsanbieter und der Kantone gemeinsam erarbeitet und getragen und wird vom Bundesrat unterstützt. Die Einführung der englischen Titel wird als Beitrag zur Stärkung und besseren internationalen Verständlichkeit der höheren Berufsbildung gesehen. Gleichzeitig steigt dadurch auch die Attraktivität der beruflichen Grundbildung, auf der sie aufbaut.
In einer der kommenden Sessionen wird sich auch der Nationalrat mit der Revision des Berufsbildungsgesetzes befassen.
«Nur Sonntagsreden zu halten und den Stolz auf unser duales Bildungssystem auszudrücken, genügt nicht, wenn man dann keine Taten folgen lässt. Von daher kann ich die Einführung der Titelzusätze sehr klar unterstützen.»
Flavia Wasserfallen, Ständerätin
Zusammenfassung der Diskussion:
Revision des Berufsbildungsgesetzes (BBG) – Überblick und Bedeutung
Die schweizerische Berufsbildung bildet seit Jahrzehnten das Rückgrat des dualen Bildungssystems. Sie ermöglicht jungen Menschen den Einstieg ins Berufsleben und bietet zugleich vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten. Besonders die höhere Berufsbildung – mit eidgenössischen Fachausweisen, höheren Fachprüfungen und Höheren Fachschulen– gilt als zentrales Element für die Fachkräftesicherung.
In den letzten Jahren wurde jedoch zunehmend erkennbar, dass die höhere Berufsbildung in der öffentlichen Wahrnehmung und im internationalen Vergleich an Sichtbarkeit eingebüsst hat. Der zunehmende akademische Fokus vieler Länder und die starke Orientierung an universitären Abschlüssen führten zu einem Prestigegefälle, obwohl die Abschlüsse der höheren Berufsbildung in der Schweiz zur Tertiärstufe gehören. Es kann nicht sein, dass Hochschulförderungspolitik auf Kosten der Berufsbildung gemacht wird.
Bereits seit 2012 war die Titelfrage Gegenstand mehrerer parlamentarischer Initiativen. Ziel dieser Vorstösse war es, die höhere Berufsbildung rechtlich und kommunikativ zu stärken und ihre Abschlüsse als gleichwertigen Teil der tertiären Bildung zu verankern. Nach längerer Vorarbeit legte der Bundesrat 2025 ein Reformpaket zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes (BBG) vor, das im Parlament breit diskutiert wurde.
Kerninhalte der Gesetzesrevision
Die Vorlage enthält vier zentrale Massnahmen zur Stärkung und Modernisierung der höheren Berufsbildung:
- Titelschutz für höhere Fachschulen
- Zulassung von Englisch als zusätzliche Prüfungssprache
- Flexibilisierung von Nachdiplomstudien
- Einführung der Titelzusätze «Professional Bachelor» und «Professional Master»
Gerade der letzte Punkt war Gegenstand intensiver Diskussionen und bildete den Schwerpunkt der politischen Auseinandersetzung.
Kontroversen und Argumentationslinien
In der parlamentarischen Debatte wurde die Notwendigkeit, die höhere Berufsbildung zu stärken, grundsätzlich anerkannt. Uneinigkeit bestand jedoch in der Frage, ob die neuen Titelzusätze das geeignete Mittel dafür seien.
Befürworter der Reform sehen in den neuen Bezeichnungen eine logische Anpassung an die internationale Realität. Sie argumentieren, dass Abschlüsse der höheren Berufsbildung international schwer einzuordnen seien und durch die neuen Titel eine klare Positionierung als Teil der Tertiärstufe erhalten. Die Ergänzung «Professional» unterstreiche den praxisorientierten Charakter der Ausbildung und unterscheide sie deutlich von akademischen Hochschulabschlüssen.
«Ich habe auch Mühe mit dem E-Mail, das mir heute Morgen von einem Nationalrat zugestellt worden ist, wonach man hier offenbar vonseiten der Fachhochschulen nochmals einen Torpedo entsendet.»
Jakob Stark, Ständerat
Zudem trage die Vereinheitlichung der Bezeichnungen dazu bei, die Attraktivität beruflicher Laufbahnen zu erhöhen. Viele junge Menschen orientierten sich an Begriffen wie «Bachelor» und «Master», weshalb deren gezielte Verwendung helfen könne, die Berufsbildung im gesellschaftlichen Bewusstsein aufzuwerten.
Kritiker hingegen warnten vor einer schleichenden Akademisierung. Der Begriff «Bachelor» sei eng mit dem Hochschulsystem verbunden und könne falsche Erwartungen wecken – insbesondere in Berufsbereichen mit stark praktischem Fokus. Es bestehe die Gefahr, dass die eigenständige Identität der Berufsbildung verwässert werde und traditionelle Titel an Wert verlören.
Zudem wurde befürchtet, dass die Umsetzung mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden sein könnte und die erhoffte internationale Wirkung ausbleibe, da die neuen Titel nicht in die bestehende Bologna-Systematik eingebettet seien.
Der gefundene Kompromiss
Nach langjähriger Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt wurde eine Kompromisslösung ausgearbeitet. Diese sieht vor, dass die neuen englischen Titelzusätze nicht als eigenständige Bezeichnungen, sondern ausschliesslich in Verbindung mit den geschützten Amtssprachtiteln geführt werden dürfen. Damit soll die Abgrenzung zu Hochschulabschlüssen gewahrt bleiben.
Das Massnahmenpaket wurde von einer breiten Mehrheit der Berufsbildungspartner unterstützt. 18Kantone, Arbeitgeber- und Gewerbeverbände sowie Gewerkschaften befürworteten die Revision. Sie gilt als Schritt, der das System nicht verändert, aber modernisiert und an die internationale Realität anpasst.
Bedeutung und Ausblick
Die Revision des Berufsbildungsgesetzes von 2025 stellt einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung des schweizerischen Bildungssystems dar. Sie reagiert auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, ohne die Grundprinzipien des dualen Systems aufzugeben.
Ob die neuen Titelbezeichnungen tatsächlich zu einer stärkeren Anerkennung und höheren Attraktivität der Berufsbildung führen, bleibt abzuwarten. Unbestritten ist jedoch, dass die Revision ein deutliches Signal setzt: Die höhere Berufsbildung soll im nationalen und internationalen Vergleich als gleichwertiger, praxisorientierter Teil der Tertiärstufe sichtbar werden.
Fazit
Die Revision des Berufsbildungsgesetzes stärkt die höhere Berufsbildung strukturell und kommunikativ. Mit Massnahmen zur Titelharmonisierung, Sprachöffnung und Flexibilisierung zielt sie darauf ab, das Ansehen und die Transparenz des dualen Bildungssystems zu erhöhen. Trotz Kritik an der Einführung der englischen Titelzusätze, vor allem aus protektionistischen Gründen der Hochschulen und derer Vertreter, wurde ein breit abgestützter Kompromiss erzielt, der die Eigenständigkeit der Berufsbildung wahrt und ihre internationale Vergleichbarkeit verbessert.
Ein lohnender Einblick – absolut empfehlenswert
Die Diskussion im Ständerat zum Berufsbildungsgesetz kann nachgehört und nachgelesen werden. Viele Aussagen, sei es beispielsweise von Ständerat Michel Matthias, Vizepräsident der Kommission WBK-S, oder von Bundesrat Guy Parmelin, unterstreichen die Bedeutung der Reform und zeigen, wie sie die Attraktivität und internationale Anerkennung der höheren Berufsbildung nachhaltig stärkt.