Interview mit Claudio Schibli, Betriebsleiter bei Pullman Phu Quoc Resort, Vietnam

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Das HF-Studium war das Sprungbrett in die Management-Ebene.

Claudio Schibli berichtet über seine spannende Reise durch verschiedene Länder Asiens, über die unterschiedlichen Kulturen und seinen Umgang mit speziellen Herausforderungen, wie er sein Ziel, ein eigenes Hotel zu führen, erreicht hat und was seine Wünsche für die Zukunft sind.

Mit Claudio Schibli, ODEC-Mitglied seit 2019 sprach Jsabelle Tschanen (Unter HF-Karrieren können weitere Interviews nachgelesen werden.)

Claudio Schibli, Sie sind 2008 nach Thailand ausgewandert und haben während acht Jahren dort gearbeitet. Wie schwierig war es für Sie, dort beruflich Fuss zu fassen?

Eigentlich war es nicht sehr schwierig, Fuss zu fassen. Aber es gibt da zwei Seiten, die es zu berücksichtigen gibt. Die eine ist die professionelle, damit meine ich die Geschäftsführung, und die andere ist die Beachtung der lokalen Gegebenheiten, Gewohnheiten sowie der Kultur.

Was sind die grössten Unterschiede zwischen der Arbeitskultur in Thailand und der Schweiz?

Manche von uns kennen Thailand als das Land des Lächelns und waren eventuell auch schon mal da. Palmen, Strände, Märkte und unbeschwertes Leben werden oftmals damit assoziiert. Nun ja, das stimmt ja auch, wenn man in den Ferien ist. Doch die Arbeitsrealität sieht anders aus. Während unser Leben meistens geprägt ist von Vorausplanen, Optimieren und Sparen, ist in Thailand mehr eine «Was mache ich heute»-Stimmung an der Tagesordnung.

Das Planen ist daher sehr schwierig, denn jeder Tag ist wieder anders und bringt neue zum Teil ganz spezielle Herausforderungen. Als Beispiel: Im Jahr 2012 wurde in Thailand der Mindestlohn quasi über Nacht um 50 Prozent angehoben, ohne die Folgen einer solchen dramatischen Erhöhung zu berücksichtigen. Klar, jeder Arbeitnehmer war glücklich, 100 Baht pro Tag (ca. CHF 3.30) mehr zu verdienen. Kurz darauf wunderte man sich, wieso plötzlich alle Dienstleistungen, Essen und Getränke, Transport usw. um 60 bis 70 Prozent gestiegen waren. Auch hatte ich mehrere Mitarbeiter, deren Verwandte (meistens Grossmutter oder Grossvater) bis zu 4-mal pro Jahr verstorben waren. Zusätzlich besteht noch das Problem der Sprachbarriere. Obwohl viele in der Tourismusindustrie etwas Englisch sprechen, speziell im Management.

Nach zwei Jahren Zwischenstopp in Singapur sind Sie nun seit einem guten Jahr in Vietnam als Director of Operations im Pullman Phu Quoc Beach Resort. Was waren Ihre Beweggründe fürs Weiterziehen?

Das stimmt nicht ganz. Ich war acht Jahre in Thailand selbstständig und dann 2015 nach Singapur gezogen, um dort eine neue Herausforderung anzunehmen und durfte für Marché Mövenpick arbeiten. 2017 bekam ich die Chance, für Accorhotels (heute Accor) als Resident Manager das Swissôtel Suites in Phuket Kamala Beach zu übernehmen, bin also zurück nach Thailand. Seit gut einem Jahr bin ich hier in Vietnam.

Nun, auf der einen Seite ist es natürlich, weiterzuziehen und für mich auch eine Form des Lernens. Jedes Land, seine Kultur, aber auch jede neue Rolle hält viel Neues zum Lernen bereit. Somit ist dies auch eine Form der Weiterentwicklung auf persönlicher, aber sehr stark auch auf professioneller Ebene.

Denken Sie nur daran, wie viele verschiedene Brands (Marken) wir innerhalb Accor haben, (ich glaube, momentan sind es 39) und jeder hat seine Eigenheiten und Charakteristiken, die wieder neu erlernt werden müssen, auch wenn die Basisstrukturen gleich bleiben. Zudem ist die gesamte rasante Entwicklung im Beherbergungs- und Restaurationsmarkt nicht ohne: Menschen ändern ihre Gewohnheiten und die Art des Reisens zum Beispiel durch den Einfluss von sozialen Netzwerken. Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht neue Technologien auf den Markt kommen. Aber natürlich auch Nachhaltigkeit, Ernährung und Umwelt sind Themen, die wir tagtäglich auf unserem Schreibtisch haben.

Ganz speziell in Asien, wo Gegensätze nicht weiter auseinanderliegen könnten, ist dies spannend und mit jeder neuen Herausforderung wächst die private Wissensdatenbank.

Was sind momentan Ihre Hauptaufgaben und Herausforderungen?

Pullman Phu Quoc Beach Resort sollte eigentlich im April dieses Jahres eröffnet werden. Durch die derzeit weltweit herrschende Covid-19-Krise und die daraus resultierenden Restriktionen haben wir uns entschieden, erst im Herbst die Türen zu öffnen. Das an und für sich ist schon eine grosse Herausforderung, darüber hinaus aber noch die fast täglich wechselnden Verordnungen. Beispielsweise haben wir seit dem 1. April keine Flug- und Fährverbindung zur Insel (nur für Fracht), wir sind also fast vollkommen vom Festland abgeschnitten, zumindest was den Personenverkehr angeht. Dazu kommen andere Elemente der Krisenbewältigung, die wir in dieser Form noch nie hatten. Kostenregulierung, Vorbereitung für die Eröffnung, Businessplan-Überarbeitung usw. sind im Moment die wichtigsten Hauptaufgaben. Ich denke, wir alle freuen uns, wenn die «Stay at home»-Zeit vorbei ist und wir uns wieder mehr oder weniger normal bewegen können.

Worin unterscheiden sich Thailand, Singapur und Vietnam am meisten?

Drei grossartige Länder, die aber unterschiedlicher nicht sein könnten. Thailand, bekannt für seine tropisch weissen Strände, unzähligen Märkte und sein grossartiges Essen. Das turbulente Treiben in Bangkoks Strassen mit Tuk Tuks, Hunderten Taxis, Strassenküchen, Marktständen und Pingpong-Shows gehört dazu. Alle, die schon mal in Bangkok waren, werden mir da sicherlich beipflichten. Auch wenn sich das Land in den vergangenen Jahren stark verändert hat und immer moderner wird, die typischen Thailand-Attribute sind immer noch weit verbreitet, vor allem auch ausserhalb Bangkoks. Thailand ist ebenfalls das einzige Land Südostasiens, welches nie eine Kolonie war und das widerspiegelt sich im Stolz der Einheimischen.

Singapur auf der anderen Seite ist bekannt als sehr sauber, wie bei uns in der Schweiz pünktlich und gut organisiert, sozial, aber doch noch mit asiatischem Einfluss. Es kann so gar nicht mit dem Rest Asiens verglichen werden. Wenn Züge und Busse nur schon ein paar Minuten zu spät kommen, steht dies am nächsten Tag bereits in der Zeitung. Ein teures Land, wenn es um Unterkunft, Hotels und Restaurants, aber auch um Unterhaltung geht. Allerdings mittlerweile oft billiger als Thailand. «Modern», «futuristisch» und «Finanzen» sind Stichworte, die sehr gut auf Singapur zutreffen.

Und dann ist ja noch Vietnam. Ein Land, das erst im Kommen ist, dies aber rasant. Die Entwicklung, welche Vietnam im Moment durchmacht, ist enorm. Hanoi, die Hauptstadt, und Ho Chi Minh City, die grösste Stadt und kommerzielles Zentrum des Landes, wachsen in einem unglaublichen Tempo. Trotzdem ist aber noch viel Tradition und Herkömmliches in ganz Vietnam vertreten und gilt es zu entdecken. Eine noch weitgehend unberührte, atemberaubende Landschaft im Norden mit Bergen (der höchste in der Region mit 3147 m ü. M.) sowie Zentral- und Südvietnam mit seinen weissen Sandstränden und dem Hinterland. Was mich immer fasziniert, ist der Verkehr in Vietnam, vor allem in den Städten. Ein wildes Durcheinander und Gehupe, das man fast nicht beschreiben kann.

Sie sehen also, dass die drei Länder vollkommen verschieden sind, obwohl sie nur ungefähr 1,5 Flugstunden voneinander entfernt liegen.

Was war der grösste berufliche Erfolg, den Sie bis jetzt feiern konnten?

Es waren einige kleinere und grössere bis jetzt in meiner beruflichen Karriere, aber wenn ich Ihnen den wichtigsten nennen soll, dann ist es bestimmt jener, dass mein erstes Unternehmen (als Selbstständiger) in Thailand so erfolgreich war. Verschiedene Zertifikate und Auszeichnungen, Mitarbeiter, die über Jahre dem Geschäft treu blieben, Investitionen, die über ein Jahr früher als geplant amortisiert werden konnten und vor allem ein wachsender und treuer Gästestamm machten dies möglich. Mit vielen davon habe ich auch heute noch regen Kontakt.

Warum haben Sie sich für die Ausbildung zum Dipl. Restaurateur/Hotelier HF entschieden?

Nach meiner Ausbildung war mir eigentlich klar, dass ich weiterhin in der Hotellerie meine Karriere verfolgen wollte. Für mich gab es da nur eines und das war die HF-Ausbildung an der Hotelfachschule. Mein Ziel war schon damals, ein eigenes Hotel zu führen. Im Moment sind meine Hauptaufgaben am Schreibtisch und ich merke zunehmend, wie mir der Gästekontakt fehlt. Was mich angeht, gibt es nichts Besseres als eine Herausforderung am Schreibtisch mit viel Gästekontakt. Dazu habe ich das Glück, für eine dynamische Gruppe zu arbeiten, bei der mir ermöglicht wird, immer wieder etwas Neues zu erleben.

Was hat Ihnen das HF-Diplom gebracht?

Ich glaube, es ist nicht so sehr das HF-Diplom selbst, mehr die gesamte Ausbildung, die mich geprägt hat. Für mich persönlich, auch wenn es damals etwas harzig war, hat die Zeit an der Hotelfachschule sehr viel Theoretisches, aber auch Praktisches vermittelt. Heute bin ich froh, dass ich diese zwei Jahre durchgezogen habe, denn es war das Sprungbrett in die Management-Ebene. Auch wenn seitdem bereits 20 Jahre vergangen sind und die Branche sich kontinuierlich verändert, vieles von damals kann ich auch heute noch anwenden.

Sie sind Träger unserer Verbandsbezeichnung «Professional Bachelor ODEC». Hat Ihnen dieser Titel in Vietnam geholfen?

Der Titel hilft sicherlich, wenn man auf einer globalen Bühne operiert. Das HF-Diplom ist ein Schweizer Titel und man kennt diesen eigentlich nicht im Ausland. Hingegen ist ein Bachelor sehr weit verbreitet, auf jeden Fall vom Namen her, und man kann ihn sehr gut einordnen. Der Titel hilft allen Beteiligten, den ungefähren Ausbildungsinhalt von der Qualität her einzuordnen. In meiner Branche hilft natürlich auch das gute Image der Schweizerischen Hotelfachschulen, welches diese weltweit geniessen.

Welche Tipps geben Sie Berufseinsteigern?

Sie sind, was Sie daraus machen. Haben Sie einen Traum vor Augen und setzen Sie sich Ziele. Der Traum mag vielleicht nie erreicht werden, aber die Ziele führen Sie Schritt für Schritt näher zum Traum. Entwickeln Sie sich weiter und bleiben Sie nie stehen, auch wenn einmal eine Türe geschlossen wird, eine andere geht sicher wieder auf.

Ich habe meinen Traum auch noch nicht erreicht, aber schon viele kleinere und grössere Ziele realisiert auf dem Weg dorthin!

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Zuallererst wünsche ich mir natürlich, dass diese sehr schwierige Zeit bald vorbei ist und wir uns alle wieder «normal» bewegen können. Es ist mir absolut bewusst, dass der Wiederaufbau unserer Wirtschaft einige Monate, wenn nicht Jahre, brauchen wird. Wenigstens ist dann aber ein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Ansonsten wünsche ich mir, dass meine weitere Laufbahn noch viele interessante, abwechslungsreiche, fordernde und vor allem lehrreiche Momente bereithält.