Die höchste Bildungsstufe: ein ungleiches Doppelpack

Bildungsbericht 2018

Der Bildungsbericht 2018 wiegt schwer: 330 Seiten umfasst das Werk, das von der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) verfasst wurde und sich als Gesamtschau des Schweizer Bildungswesens versteht. Wer sich allerdings umfassende Informationen über alle Bereiche erhofft, wird enttäuscht.

Seit 2010 gibt der Bund alle drei Jahre einen Bildungsbericht heraus. Der dritte Bericht ist ausführlich, bildet er doch alle Stufen des Schweizerischen Bildungssystems ab. Die Höhere Berufsbildung als Teil der Tertiärstufe, der höchsten Bildungsstufe, nimmt allerdings einen bescheidenen Anteil ein. Sie wird auf 11 Seiten abgehandelt, davon ist eine Seite den Höheren Fachschulen gewidmet, während die Hochschulen auf 61 Seiten umfassend beleuchtet werden.

Dies entspricht in keiner Weise der Wichtigkeit der Höheren Berufsbildung (HBB). Rund ein Drittel der Abschlüsse auf der Tertiärstufe entfallen auf die Höhere Berufsbildung. In der internationalen Bildungsklassifizierung ISCED befinden sich ihre Abschlüsse auf den Stufen 6 und 7, gleich wie der Bachelor und der Master. Und: HBB-Absolventinnen und -Absolventen sind leistungsfähige Praktiker, die hervorragend für Fach- und Führungsstellen qualifiziert sind. Kein Wunder, weisen Personen mit einer Höheren Berufsbildung die höchsten Erwerbsquoten überhaupt auf.

Unwissen über Tertiärstufe ist weit verbreitet

Warum also wird die HBB derart klein gehalten? Warum entdeckt man im Bildungsbericht 2018 Aussagen wie „Personen, die nur eine Höhere Berufsbildung als höchsten Bildungsabschluss haben“? Warum stagniert die Anzahl Abschlüsse? Fakt ist: Das Unwissen darüber, was die Tertiärstufe in der Schweiz beinhaltet, ist leider weit verbreitet. Wenn der Bund in seiner Medienmitteilung zum Bildungsbericht schreibt: „Gemäss Prognosen des BFS werden bis 2045 rund 60% der Bevölkerung einen tertiären Bildungsabschluss (Hochschule oder Höhere Berufsbildung) aufweisen. 2015 lag dieser Anteil bei rund 40%“, dann ist in den Medien von Akademisierung die Rede. Doch Tertiarisierung heisst eben nicht gleich Akademisierung. Denn in der Schweiz unterscheidet man zwischen Tertiär A und Tertiär B, also zwischen akademischer und berufsorientierter Tertiärbildung. Zu den Hochschulen gehören die kantonalen Universitäten, die eidgenössischen technischen Hochschulen, die Fachhochschulen und die pädagogischen Hochschulen. Zur Höheren Berufsbildung zählen die Höheren Fachschulen, die Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen. Doch worin liegen die genauen Unterschiede?

Bedürfnisse der Wirtschaft versus akademische Freiheit

Der erste und wichtigste Unterschied: Die Höhere Berufsbildung ist arbeitsmarktorientiert. Sie richtet sich also nach den Bedürfnissen und Anforderungen des Arbeitsmarkts. So entstehen die Rahmenlehrpläne jedes einzelnen Bildungsgangs an einer Höheren Fachschule aus einer Zusammenarbeit zwischen den Bildungsanbietern und den Organisationen der Arbeitswelt, die aus Berufsverbänden und Branchenorganisationen bestehen. Ausserdem wird die Tertiär B-Bildung stark durch den Bund gesteuert, da die Bildungsgänge ein eidgenössisches Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen. Ganz anders sieht es bei den Hochschulen aus: Sie geniessen gemäss Bundesverfassung die „akademische Freiheit“ – unabhängig von den Arbeitsmarktbedürfnissen. Die Mitsprache durch Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt beim Bildungsangebot der Hochschulen ist marginal.

Grosse Unterschiede auch bei den Subventionen

Auch punkto Finanzierung präsentiert sich die Situation im Tertiär A-Bereich komplett anders als im Tertiär B. Während die Fachhochschulen hochgradig subventioniert sind, müssen die Studierenden der Höheren Fachschulen tief in die eigene Tasche greifen. Nicht selten bezahlen sie gegenüber vergleichbaren Bachelor-Studierenden das Dreifache für ihr Studium. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen erhalten jährlich rund 3‘257 Millionen Schweizer Franken, die Höheren Fachschulen müssen sich mit 325 Millionen zufriedengeben. Subventionen erhalten sie also 10 Mal so viel wie die Höheren Fachschulen, während sie nicht einmal 3 Mal so viele Abschlüsse generieren.

 

 

Ausgaben

Abschlüsse 2017

 

Universitäre Hochschulen*

8‘000 Millionen

28'558

 

Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen

3'257 Millionen

22'353

Hochschulen

 

 

 

 

 

 

 

 

Höhere Fachschulen**  

325 Millionen

8754

 

Vorbereitungskurse zu *** eidgenössische Prüfungen

 

138 Millionen

17'752

Höhere Berufsbildung

* Bildungsfinanzen. Ausgabe 2018  ** Berufsbildung in der Schweiz Fakten und Zahlen 2017  *** Ab 2018 wird diese Summe höher ausfallen, da die Kurse mit 50% unterstützt werden.